Vier Wochen nach der Wahl
Auch wenn es nach außen hin nach
ernstgemeinten Gesprächen zwischen SPD, FDP und CDU aussah, konnte man sehr
schnell davon ausgehen, dass hier lediglich eine Pflichtveranstaltung
stattfand. Denn weder der Regierende noch sein Nochinnensenator von der CDU
wurden in der Vergangenheit richtig warm miteinander. Zwar steckte man
gemeinsam in einer Regierungskoalition, doch eine Liebesheirat war es damals
nicht. Amtsvorgänger Klaus Wowereit wollte eigentlich Rot-Grün, doch an der
Stadtautobahn haperte es damals. Und bevor es Neuwahlen gab, ging er eine Ehe
mit der Union ein. Auf halber Strecke der Legislaturperiode ging Wowereit dann
in den politischen Ruhestand, übergab das Zepter an den damaligen
Stadtentwicklungssenator Müller. Unumstritten war diese Personalie nicht, gab
es doch innerhalb der SPD noch wie weitere Kandidaten auf den Chefsessel im
Roten Rathaus. Müllers Wahl zum Regierenden ging an wochenlanger Kleinkrieg
innerhalb der Sozialdemokraten voraus, der am Ende den ganzen Senat lähmte. Aus
Sicht der CDU muss an dieser Stelle gesagt werden: Damals eine vertane Chance.
Die Umfragen waren gut. Es gab eine Möglichkeit eines schwarzgrünen Bündnisses.
Doch getraut haben sich beide Parteien nicht.
Wenige Tage nach der Wahl, welche
für SPD, CDU und Grüne ergebnistechnisch unschön ausging, einigten sich die
Parteispitzen von rot-rot-grün auf Koalitionsgespräche. Entsprechende
Parteigremien mussten den Weg dafür noch freimachen. Allerdings war dies bei
den drei neuen Koalitionären eine Pflicht, denn die Zustimmung wurde schon
vorher, auf breiter Ebene signalisiert.
Nun ist es also soweit: SPD,
Linke und Grüne arbeiten hart am Dreierbündnis. Aus der lokalen Presse ist dazu
nicht viel zu entnehmen. Hier und da geistern zwar immer mal wieder ein paar
Namen durch die Gegend, doch das gehört nach einer Wahl immer dazu. Nur eine
Sache ist neu: Schon kurz nach der Wahl geriet der Regierende Bürgermeister
innerhalb seiner Partei in starke Kritik, gibt man ihm doch eine Mitschuld am
desaströsen Abschneiden seiner Partei.
Was macht eigentlich die Union?
Natürlich werden vieler Orts noch
die Wunden geleckt. Schließlich muss eine herbe Schlappe verdaut werden, obwohl
fünf Jahre lang mitregiert wurde. Aus Sicht der Wähler wohl eben nur mit und
nicht klar erkennbar. Schwer hatte es die Union auch mit einer immer stärker
werdenden AfD. Der Neuling gräbt sicherlich allen Parteien die Wähler ab, doch
besonders viele Anhänger der Christdemokraten liefen über. Quer durch alle
Bezirke der Stadt, quer durch alle Bildungsschichten.
Ziel der CDU muss nun der
politische und personelle Neuanfang sein. Die Weichen dazu wurden bereits
gestellt. Der glücklose Innensenator und Parteichef Frank Henkel räumt seinen
Stuhl. Nicht nur den im Senat, sondern auch den in der Parteispitze. Monika
Grütters soll seine Nachfolgerin werden.
Die Partei tut gut daran,
schnellstens im 21. Jahrhundert anzukommen. Bundesweit ist es ja bereits
erfolgreich gelungen, doch in der Bundeshauptstadt, einem ehemaligen
Vorzeigeort deutscher Politik, hapert es noch gewaltig. Ein charismatischer
Bürgermeister a la Eberhard Diepgen ist nicht in Sicht. Die letzten Kandidaten
für das Rote Rathaus agierten alle samt ohne Fortune. Auf Bezirksebene ist die
Lage nicht besser. In manchen Teilen der Stadt ist die CDU quasi nicht mehr
existent. Dachte man in Friedrichshain-Kreuzberg, tiefer als das Ergebnis vom
letzten Mal könne man nicht sinken, wurde die Partei eines Besseren belehrt.
Die Stimmverluste sind zwar nicht mehr so immens, wie in den letzten Jahren,
doch ein Minus ist ein Minus.
Selbst in den ehemaligen
Hochburgen Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf wackelte die Union. Teilweise
verlor sie kräftig an Zustimmung, kann aber stärkste Kraft bleiben. Auch der
Chef im Rathaus kann von der CDU gestellt werden.
Doch es gibt auch die andere
Seite der Medaille: In einigen Ecken kommen die Christdemokraten auf keinen
grünen Zweig. Über Friedrichshain und Kreuzberg habe ich ja bereits
geschrieben, doch es gibt noch andere Bezirke, die durchaus Potential für einen
Bürgermeister der bürgerlichen Mitte haben: Neukölln, Tempelhof-Schöneberg,
Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf, ja selbst Mitte.
„Mund abwischen und nach vorne
gucken!“, das sollte die Devise für die stärke Oppositionskraft im neuen
Abgeordnetenhaus sein. Mit viel Anstrengung und etwas Glück stellt die CDU bald
wieder einen Regierenden Bürgermeister.
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